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Medienkonferenz von Finanzdepartement und Sozialdepartement
vom 18. Juni 2001
Abbruch und Neuerstellung der städtischen Wohnsiedlung Bernerstrasse ab 1. Juli 2001: Mieterinnen- und Mieterbüro
Gründe, Ziele, soziale Verantwortung der Vermieterin
von Finanzvorstand Willy Küng
Am 21. Juni 2000 beschloss der Gemeinderat auf Antrag des Stadtrates einen Kredit für einen Architekturwettbewerb und ein Vorprojekt, um anstelle der 1959 erstellten kommunalen Wohnsiedlung Bernerstrasse eine neue Ueberbaung erstellen zu können.
Den Weg von Abbruch und Ersatzneubau haben in Zürich verschiedene Baugenossenschaften wählen müssen. Der Grund lag bei einer sich aufdrängenden bau-lichen Verdichtung und/oder an der schlechten Bausubstanz.
Wäre die Siedlung Bernerstrasse 100 Jahre alt und in der damals in der Regel üblichen guten Bauweise erstellt worden, so würde sie mit grösster Wahrschein-lichkeit nicht abgebrochen, sondern im normalen Renovationszyklus erneuert und modernisiert. Bei dieser Gelegenheit würden die Wohnungsgrundrisse überprüft und bei einem Überwiegen von kleinräumigen 1- und 3-Zimmerwohnungen solche mit 4 ½ und 5 ½ Zimmern durch Zusammenlegungen geschaffen. An diesen grösseren Wohnungen herrscht heute in Zürich akuter Mangel.
Vor etwa sechs Jahren stand in der damals rund 35jährigen Siedlung Bernerstrasse im Rahmen des normalen Erneuerungszyklus eine solche Erneuerung an. Alle in der Zwischenzeit erstellten Studien führten aber nicht zum Ziel. Wie leider manche Bauten aus dieser Zeit weist die Siedlung eine schlechte Bausubstanz auf.
Dies war letztlich der Grund für den Entscheid zum Abbruch. Es rechtfertigt sich nicht, hier sehr grosse Erneuerungsinvestitionen zu tätigen. Schon bei der Erstellung waren die Zimmergrössen an der unteren Grenze, doch wollte man angesichts der damaligen Wohnungsnot billigen Wohnraum realisieren. Nun weisen aber diese Wohnungen viele tragende Trennwände auf, was die Schaffung von grösseren Familienwohnungen praktisch verunmöglicht. Das war ein weiterer Grund für den Abbruchentscheid. Auch die geprüften wohnzimmervergrössernden Anbauten - wie bei den städtischen Liegenschaften an der Luggwegstrasse 1999 realisiert und an einer Pressefahrt vorgestellt - hätten zu nicht zu rechtfertigenden Kosten geführt. Die Mieten hätten trotz bleibender Nachteile der Altbausubstanz fast die Höhe von Neubauwohnungen erreicht. Die einschneidenden Eingriffe in die Bausubstanz hätten nur in unbewohnten Zustand erfolgen können, so dass die heutige Mieter-schaft in gleicher Weise betroffen worden wäre wie beim Entscheid zum Abbruch. Selbstverständlich kann man eine Siedlung wie ein altes Kleid auch "austragen". Die Veränderung in der Mieterstruktur in den letzten Jahren zeigt aber, dass dies in dieser grossen Siedlung mit 267 Wohnungen kein gangbarer Weg ist. Hier wohnen zwar viele langjährige Mieterinnen und Mieter schweizerischer und ausländischer Nationalität, die ihr Quartier schätzen und der Siedlung auch Sorge tragen. Bei Neuvermietungen zeigt sich aber ein starker Trend zur sozialen Entmischung.
Jede Siedlung muss wieder neu beurteilt werden. Bei der Wohnsiedlung Heiligfeld I an der Brahmsstrasse - erstellt 1947/48 - rechtfertigt die bessere Bausubstanz eine sanfte Renovation. Die benachbarte Siedlung Heiligfeld III aus dem Jahr 1954/55 wurde letztes Jahr mit Rücksicht auf die heutige Mieterschaft zum grösseren Teil ohne Grundrissänderungen renoviert und modernisiert. Bei einem der Hochhäuser werden jedoch Wohnungszusammenlegungen erfolgen, um die heute üblichen Ansprüche der Wohnungssuchenden abdecken zu können.
In diesem Zusammenhang sei auf das Legislaturziel des Stadtrates zur Schaffung von Familienwohnungen, die heutigen und künftigen Ansprüchen genügen, hinge-wiesen. Das Ziel wird sowohl mit Neubauten als auch mit Umbauten erreicht. Ange-sprochen sind die Baugenossenschaften, aber auch Private und selbstverständlich die Stadt selber. Wenn eine grössere Renovation ansteht, sollen nicht einfach Küche und Bad erneuert werden, sondern zuvor auch Wohnungszusammenlegungen ge-prüft werden. Um kleineren Genossenschaften, die schon lange nicht mehr gebaut haben und im Milizsystem geführt werden, im Hinblick auf diese Zielsetzungen zu beraten und ihnen gute Bespiele vorzuführen, haben die Baugenossenschaften (Schweizerischen Verband für Wohnungswesen, Sektion Zürich) zusammen mit der Stadt Zürich im Januar 2000 die "Förderstelle Gemeinnütziger Wohnungsbau" errichtet.
In der Siedlung Bernerstrasse haben 75% der Wohnungen 1 - 3 ½ Zimmer. Die 123 3-Zimmer-Wohnungen in der Siedlung haben eine Wohnfläche von nur 52 m2, die 61 4-Zimmer-Wohnungen eine solche von bescheidenen 63 m2. Dies erklärt, wes-halb hier progressiv eine soziale Entmischung stattfindet. Vermietbar sind die Wohnungen noch immer, doch wollen junge Familie schweizerischer Nationalität hier nicht mehr einziehen.
An einer Mieterversammlung am 18. November 1999 war ich beeindruckt, wie ge-fasst die unangenehme Botschaft des Abbruchs aufgenommen wurde. Freilich wird von der Stadt auch Hilfe erwartet, und wir sind gern bereit, diese zu leisten. Soweit gewünscht und erforderlich sollen die Mieterinnen und Mieter begleitet werden. Der letzte Fall eines Abbruchs und Neubaus datiert aus den 70er Jahren, als mit der 1974 bezogenen Wohnsiedlung Heuried eine Siedlung aus dem Jahre 1929 ersetzt wurde um das Grundstück zonenplankonform besser auszunutzen.
Die Hilfestellung aus sozialer Verantwortung ist Gegenstand der heutigen Orientierung. Auch an der Mieterversammlung vom 15. Juni 2001 war dies das Thema. Zwar gab es vereinzelt Kritik, doch was die grosse Mehrheit der Mieterschaft bewegt, ist nicht Kritik am Abbruch, sondern Sorge um die Zukunft. Mehrere ausländische Mieterinnen und Mieter erklärten mir am Schluss der Versammlung, sie seien seit vielen Jahren gern hier gewesen, doch jetzt sei ein Abbruch auch aus ihrer Sicht unausweichlich geworden.
Eine derart grosse Siedlung strahlt auf das ganze Quartier aus. Heute ist die Aus-strahlung der Siedlung Bernerstrasse negativ. Mit dem Neubau, der im kommenden Herbst juriert wird und 2007 bezugsbereit sein soll, wird diese Ausstrahlung in Zu-kunft wieder eine positive sein. Mit einem qualitätsvollen Neubau, der gut 150 Wohnungen und zusätzlich heute fehlende Einkaufsmöglichkeiten aufweisen wird, soll ein markanter Beitrag zur Gebietsaufwertung geleistet werden.
Das Quartier Grünau, das mit vielen Grünflächen, der Erholungszone an der Limmat und den nahen Sportanlagen durchaus auch Vorzüge aufweist, hat heute positive Impulse nötig. Frau Stadträtin Monika Stocker spricht jetzt zu diesem Aufwertungs-projekt des Stadtrates.
Anschliessend wird der Direktor der Liegenschaftenverwaltung, Arno Roggo, über die konkrete Hilfestellung der Stadt berichten. Die Zeit bis zum geplanten Baubeginn im Frühjahr 2004 muss jetzt intensiv genutzt werden, um das grosse Vorhaben, von dem gegen 700 Personen betroffen sind, sozialverträglich gestalten zu können. Die Liegenschaftenverwaltung wird hierbei unterstützt vom Sozialdepartement und von der Fachstelle für Stadtentwicklung. Zudem haben uns zahlreiche Baugenossen-schaften an einer Aussprache vom 29. Mai 2001 ihre Unterstützung zugesagt und in Aussicht gestellt, nach Möglichkeit Ersatzwohnungen anzubieten. Mein Dank gilt besonders auch unserer Gastgeberin, dem Gemeinschaftszentrum Grünau, seiner Leiterin und seinen Mitarbeitenden, die gewillt sind, einen grossen Beitrag für den Siedlungszusammenhalt in dieser Übergangszeit zu leisten.
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