Der Videofilm «Übertragung» des Berliners Harun Farocki setzt sich mit Gesten und Bräuchen auseinander. Das Werk dokumentiert Verhaltensformen und ritualisierte Handbewegungen, die Menschen bei Statuen oder an Mahnmalen anwenden. Ein Beispiel ist das Vietnam Veterans Memorial in Washington, dessen Besuchende die eingemeisselten Namen der Gefallenen abtasten.
Mit einer Folge verschiedener Beispiele von Bräuchen, Erinnerungs- und Alltagsritualen erstellt «Übertragung» ein Gesten-Vokabular. Der Videofilm lenkt die Aufmerksamkeit von den Dingen wie Denkmälern auf deren Gebrauch und damit auf Traditionen und Techniken der Sinngebung.
Der 43-minütige Tonfilm ist ein Jahr lang jeweils täglich während des regulären Betriebs der VBZ auf einem Flachbildschirm von 50 x 60 cm Grösse zu sehen. Dieser befindet sich in einem Plakatkasten der VBZ auf dem stadtauswärts führenden Teil der Haltestelle Limmatplatz.
Die Zürcher Hochschule der Künste ZHdK führt morgen, am 2. November, von 18 bis 20 Uhr eine öffentliche Einweihung im Beisein des Künstlers durch.
Harun Farocki wurde 1944 in Nový Jicin (Neutitschein) geboren, im damals vom Deutschen Reich annektierten Teil der Tschechoslowakei. Er arbeitet unter anderem als Filmemacher, Filmkritiker und Gastprofessor und lebt in Berlin.
Farockis rund 90 Filme sind im Fernsehen und an zahlreichen Festivals zu sehen. Videokunst Farocks zeigten unter anderen die «documenta X» in Kassel, die «Kunstwerke Berlin» oder das New Museum of Contemporary Art in New York. Mit dem Videofilm «Übertragung» hat Harun Farocki sein erstes Werk für den öffentlichen Raum geschaffen. Die Georg und Bertha Schwyzer-Winiker-Stiftung Zürich hat den Film finanziert und stellt ihn der Stadt als Dauerleihgabe zur Verfügung. Die Stadt übernimmt Kosten von gegen 30'000 Franken für den Bildschirm und die Installationsarbeiten.
Harun Farockis eigens für Zürich erstellte Werk «Übertragung» entstand im Rahmen des Forschungsprojekts «Kunst Öffentlichkeit Zürich». Dieses wurde massgeblich von der Förderagentur für Innovation KTI des Bundes finanziert, wobei sich auch Private und die Stadt Zürich beteiligten. Konzeption und Leitung des Projekts oblag Christoph Schenker, dem Leiter des Instituts für Gegenwartskünste an der ZHdK. Ziel war, am Beispiel Zürichs Erkenntnisse zu Kunst im öffentlichen Raum weiterzuentwickeln. Als dauerhaftes Ergebnis ist unter anderem die AG Kunst im öffentlichen Raum (AG KiöR) entstanden, die Kriterien für das Aufstellen und Abräumen von Kunst erarbeitet und als Anlaufstelle für alle künstlerischen Belange im öffentlichen Raum dient. Aber auch konkrete Werke sind aus dem Projekt hervorgegangen, so «Kunst in der Hardau», das dreiteilige Werk «Kugellager oder runde Steine» von Lawrence Weiner und nun Farockis Videoinstallation. Mindestens ein weiteres Kunstwerke des Projektes «Kunst Öffentlichkeit Zürich» wird im nächsten Jahr folgen. Welches das sein wird, steht noch nicht fest.
Die Einweihung mit Harun Farocki am 2. November, 18 bis 20 Uhr, ist öffentlich.