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Rotlichtquartiere. Man meidet sie einfach, stört sich an ihnen oder geniesst sie als trendige Ausgehmeile. Allzu leicht wird vergessen, dass sie für viele Alltag sind. Für die Frauen, die hier ihre Dienste anbieten, aber auch für Familien mit Kindern, Jugendliche, Gewerbetreibende. Wie soll man all ihre Wünsche unter einen Hut bringen? Kann das Rotlichtmilieu quartierverträglich gestaltet werden? Mögliche Massnahmen diskutierten heute Fachleute aus dem In- und Ausland. Die Bevölkerung von Rotlichtquartieren ist täglich mit den Schattenseiten des Milieus konfrontiert: Gewalt, Drogen, Menschenhandel und Kriminalität. Lärmende, zirkulierende Freier, Anmache, Dealer in Hinterhöfen und schmutzige Überreste in Hauseingängen. Und immer mehr Frauen drängen in den Rotlichtmarkt hinein. Die Konkurrenz und der Druck auf jede Einzelne steigen ständig. Auch in kleineren Städten gibt es bereits Quartiere, wo sich Milieuprobleme ausbreiten. Die Belastung für die Anwohnenden sind hoch. Die vielfältigen Probleme verlangen nach koordinierten Lösungen. In- und ausländische Fachleute aus unterschiedlichen Disziplinen trafen sich im Rahmen des 5. urbanen Sicherheitskongresses, zu dem die Fachdirektorenkonferenz KSPD (Konferenz der Städtischen Polizeidirektorinnen und Polizeidirektoren) eingeladen hatte. Sie sammelten Fakten und Meinungen und diskutierten mögliche Massnahmen mit dem Ziel, die Lebensqualität in den belasteten Quartieren zu heben, kriminelle Strukturen effektiver bekämpfen, Opfer zu schützen und die Sicherheit weiter erhöhen zu können. Entscheidend ist zunächst eine ständig präsente und sichtbare Polizei, die mit dem Quartier vertraut ist und sich als Ansprechpartnerin der Bevölkerung und ihrer Anliegen versteht. Der Polizeipräsident der Stadt München, Wilhelm Schmidbauer, plädierte zudem dafür, das Rotlichtmilieu mit Hilfe rigider Kontrollen konsequent aus den ohnehin übermässig belasteten Innenstädten an die Peripherie zu verbannen, wie es die Stadt München mit ihren Sperrbezirken tut, gemäss eigenen Angaben mit Erfolg. Neben den Sicherheitsexperten kamen auch Insider und Vertreterinnen von Opferhilfestellen zu Wort. Der bekannte Milieuanwalt und Szenekenner Valentin Landmann beispielsweise setzte auf die regulierende Kraft des Marktes. Die Behörden sollen geeignete Orte mit möglichst attraktiver Infrastruktur bezeichnen und aktiv kommunizieren, dass an diesem Ort Unternehmerinnen des Rotlichtgewerbes willkommen seien, legal und mit behördlichem Segen ein Rotlichtgewerbe zu treiben. Nach und nach würden weitere Rotlichtunternehmer/innen nachziehen. Entscheidend sei, dass alle gleichsam profitierten, die Betreiber/innen, die Frauen und auch die Steuerbehörden. Selbst eine staatliche Beteiligung am Aufbau der Infrastruktur wäre denkbar. Carlo Crespi von der Bundeskriminalpolizei in Bern betont, dass nur richtig reagieren kann, wer über ein Thema die Übersicht hat. Die polizeilichen Kontrollen tragen zu solcher Übersicht bei und bieten jenen Schutz, die sich an die Regeln halten. Repression kann in diesem Sinn auch Schutz für die betroffenen Frauen bedeuten. Die Vertreterin der spezialisierten Opferhilfestelle für Frauenhandel, Eva Danzl, FIZ, Expertin für Frauenhandel und Sexarbeit betonte schliesslich, wie wichtig es sei, die Hintermänner des Menschenhandels zu fassen. Ohne Mithilfe der Opfer sei das meist nicht möglich, deshalb komme dem Opferschutz bei der Bekämpfung der Drahtzieher eine Schlüsselrolle zu. Bei aller Unterschiedlichkeit war man sich einig darüber, einen pragmatischen Weg zu wählen: Nicht die Prostitution zu bekämpfen, sondern die Kriminalität in ihrem Umfeld und ihre Nebenerscheinungen. Konkret gelte es, die Verquickung von Sexmilieu, Gewalt, Menschenhandel und Drogen zu lösen. Zudem müssten Lärm, zirkulierende Freier, Anmache, Schmutz und andere Nebenprodukte des Milieus eingedämmt werden. Diese Faktoren machten die hauptsächliche Belastung des Quartiers aus, insbesondere auch für Familien mit Kindern. Gerade sie wären aber wichtig, um den belasteten Quartieren langfristig eine ausgewogene soziale Durchmischung und gute Lebensqualität zu erhalten. In ihrem Schlusswort betonte Esther Maurer, Präsidentin der KSPD noch einmal die Komplexität der behandelten Thematik. Lösungen können nur in der Zusammenarbeit aller beteiligten Institutionen und Behörden gefunden werden.
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